Skandale überlagern den Sport

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Hans Zaremba zum WM-Beginn in Katar

Nun hat am vergangenen Sonntag die wohl umstrittenste Weltmeisterschaft (WM) in der Geschichte des Fußballs begonnen. Dass Katar wegen seiner bedenklichen Menschenrechtslage wahrlich kein Vorzeige-Gastgeber ist, wurde vor dem Treffen in dem Emirat durch mehrere Medienbeiträge ausführlich belegt. Offenbar scheint dies alles dem Präsidenten des Fußballweltverbandes Fifa (Fédération Internationale de Football Association), Giovanni Infantino, nicht sonderlich zu beindrucken. Anders lässt sich sein eigenartiger Auftritt am Vortag der offiziellen Eröffnung des nach den Olympischen Spielen größten Sportereignisses auf dem Erdball nicht bewerten.

„One-Love-Binde“

Auch nach dem Auftaktspiel zwischen Katar und Ecuador (0:2) wurde die WM durch einen neuerlichen Skandal überlagert, ausgelöst durch das Verbot der „One-Love-Binde“. Heftig war das mediale Echo. Die „Südwest-Presse“ beschreibt die Fifa als ein Bündnis, „dessen Verhalten immer offener dem einer kriminellen Vereinigung ähnelt“. Zutreffend war die Schlussfolgerung der in Ulm verlegten Zeitung: „Die sieben europäischen Verbände müssen der Fifa die Stirn bieten: Entweder wir spielen mit der Kapitänsbinde – oder wir reisen ab. Ein Turnier ohne England, die Niederlande und die Deutschen wäre dann nur noch ein müder Kick im Wüstensand. Und davor hat selbst die Fifa Angst.“ Es ist für den deutschen Fußball peinlich, dass letztlich auch der Präsident des DFB (Deutscher Fußball-Bund), Bernd Neuendorf, vor den Drohungen der Fifa eingeknickt ist. Seine Worte zur „One-Love-Binde“ vor der Presse waren offenbar nur leere Hülsen. Es wäre eminent gewesen, wenn der DFB (und mit ihm die anderen europäischen Verbände) der Fifa effektvoll die Stirn geboten hätten und in letzter Konsequenz womöglich gar nicht erst angetreten wären. Stattdessen lautete die Botschaft: Am Ende steht der sportliche Erfolg über die Menschenrechte. Entgegen dem verdrießlichen Verhalten des DFB setzte die ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann durch ihr Outfit – mit einem schwarzen T-Shirt in den Regenbogenfarben und der bunten Binde an ihrem Arm – bei der Übertragung der Begegnung zwischen den USA und Wales (1:1) ein kühnes Zeichen. Eine Courage, die dem durch die befremdlichen Vorgänge rund um die Vergabe des „Sommermärchens“ von 2006 an Deutschland ohnehin in eine Schieflage geratenen DFB wohltuend angestanden hätte. Unter diesen Aspekten ist das Resultat aus der ersten Partie von Deutschland (1:2 gegen Japan) nur noch eine belanglose Fußnote.

Begeisterung und Quoten

Bei den Fans ist das Umfallen der europäischen WM-Teams nicht gut angekommen. Vom ZDF-Journalisten Jochen Breyer, der mit seiner Doku „Geheimsache Katar“ den Missständen in Katar auf den Grund gegangen ist, war auf Twitter zu vernehmen: „Ein Zeichen, das man nur dann setzt, wenn man keinerlei Konsequenzen zu befürchten hat, ist kein Zeichen.“ Der offen homosexuell lebende Ex-Nationalspieler Thomas Hitzelsperger nannte das Fifa-Dekret „erbärmlich“. Etliche Fußballfreunde – so in Lippstadt bei den BVB-Freunden „Optimisten“ und auch manche Anhänger anderer Bundesligisten – sind inzwischen derart angewidert, dass sie die jetzt angelaufenen Übertragungen im Fernsehen boykottieren wollen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob es wirklich zum vereinigten Desinteresse der katarischen Wochen kommt. Die Einschaltquoten werden es enthüllen. Tatsache ist: Eine WM im November und Dezember hat keine Vorgänger und somit keine Erfahrungswerte, da bisher Juni und Juli die bevorzugten Austragungszeiten der Fußball-Welturniere waren. Das gilt auch für das aktuelle Teilnehmerfeld. Ob nun das Aufgebot von Hansi Flick bis ins Endspiel gelangt oder schon reichlich früher die Heimreise nach Deutschland anzutreten hat, werden die Tage bis in den Dezember aufzeigen. Fakt ist bereits: Nie war es vertrackter als in der beginnenden Adventszeit für eine deutsche Nationalmannschaft, die Menschen für ihre Auftritte zu begeistern.