Der DFB war schlecht beraten

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WM-Anmerkungen von Hans Zaremba

Wenn dieser Beitrag in den Printmedien erscheint, hat das Fußballweltturnier in Russland bereits begonnen. Für den amtierenden Weltmeister aus Deutschland beginnt das Projekt Titelverteidigung am Sonntag um 17.00 Uhr im Match mit Mexiko. Doch dieses Vorhaben dürfte für das Team von Joachim Löw ein schwieriges Unterfangen werden, zumal die Equipe des DFB in ihren zwei letzten Vorbereitungsspielen vor dem Abflug nach Moskau (1:2 in Klagenfurt gegen Österreich und 2:1 im Leverkusener Stadion beim Treffen mit Saudi Arabien) keine überzeugenden Vorstellungen darbot.

Freuen sich auf die Weltmeisterschaft in Russland:Von links der Vereinswirt des Lippstädter BVB-Fanclubs, Roland Jathe, der ehemalige Lippstädter „Oberborusse“ Bernhard Scholl und der Verfasser der WM-Anmerkungen Hans Zaremba. Archiv-Bild: BVB-Fanclub Lippstadt e.V..

Schweres Unterfangen

Übrigens: Seit 1962 (wo Brasilien in Chile den 1958 in Schweden gewonnenen Pokal erneut ergatterte) ist es keiner Mannschaft mehr gelungen, den vorherigen WM-Erfolg direkt zu wiederholen. Und die bislang die zweite Weltmeisterschafts-Verteidigung liegt noch länger zurück. Sie schaffte Italien 1938 in Frankreich, als es den vier Jahre zuvor im eigenen Land eingeheimsten Titel noch einmal erlangen konnte. Doch zurück zum DFB-Vorhaben: Nach dem Trainingslager in Eppan (Südtirol) hat der seit 2006 amtierende Bundescoach sein aus 23 Fußballern bestehendes Aufgebot zehn Tage vor der Eröffnung des Spektakels dem Weltverband gemeldet. Überlagert wurde die Arbeit in Norditalien vom brisanten Termin der deutschen Nationalspieler mit türkischen Wurzeln, Ilkay Gündogan und Mesut Özil, mit dem Präsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, in London. Der DFB wäre gut beraten gewesen, die in England unter Vertrag stehenden Profis nach ihrem Fauxpas für die WM nicht zu berufen. Dann wäre ihm viel Ärger erspart geblieben. Obwohl der DFB das Thema in Eppan bereits vom Tisch haben wollte, wirkte es durch die massiven Pfiffe und Buhrufe des Publikums gegen die in Gelsenkirchen geborenen Kicker in Klagenfurt und Leverkusen nach.

Naive Einschätzung

Das Dilemma nach der fahrlässigen und dummen Aktion von Ilkay Gündogan und Mesut Özil wurde durch die gereizten Worte des Teammanagers Oliver Bierhoff und von Joachim Löw nach dem Spiel gegen die Saudis noch einmal deutlich. Die Wucht des Protestes in der Leverkusener Arena überraschte auch andere Spieler: „Das kam ein bisschen aus dem Nichts“, meinte Mats Hummels, der sich gegen die Schlussstrichpolitik seines Trainers und hoher DFB-Funktionäre aussprach: „Wir müssen darüber noch mal reden.“ Naiv gab es sich indessen der DFB-Präsident Reinhard Grindel im Fernsehen, als er den Verursachern der Debatte attestierte: ‚Sie haben bei dem Treffen mit Erdogan nicht gewusst, dass das Foto zu Wahlkampfzwecken missbraucht würde.‘ Dabei hätte insbesondere der frühere ZDF-Journalist (1992-2002) und spätere CDU-Bundestagsabgeordnete (2002-2016) das fatale Echo auf das Pressebild der beiden Kicker mit dem türkischen Staatschef erahnen müssen.

Lösbare Aufgaben

Nun ist der vermeidbare Schaden entstanden. Wie er die Darbietungen der DFB-Crew im größten Land der Erde beeinflussen wird, dürften schon die drei Vorrundenspiele gegen Mexiko, Schweden und Südkorea zeigen. Angesichts der Papierform durchaus lösbare Aufgaben für Deutschland, wenn man über ein intaktes Aufgebot verfügt. Neben den politischen Problemen hat Joachim Löw aber noch weitere Baustellen. Zwar hat Manuel Neuer nach längerer Verletzungspause seine Bewährung gegen Österreich bestanden. Dennoch fehlt dem Kapitän die nötige Wettkampfpraxis, da er seit dem Herbst nicht mehr für sein Vereinsteam – Bayern München – im Tor gestanden hat. Weder beim letzten Ligaspiel noch im Pokalfinale war der 32jährige mit von der Partie. Fraglich ist auch die Belastbarkeit des Innenverteidigers Jerome Boateng, der auch mit einer schweren Blessur in Eppan erschienen ist. Ob auch seine Leistungsfähigkeit ausreicht, ist ebenso zu hinterfragen.