Fußball-Konzerne drängen nach oben

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Anmerkungen zum Wandel im Berufsfußball von Hans Zaremba

Die durch die Qualifikations-Länderspiele für die Europameisterschaft 2014 bedingte Pause der nationalen Ligen ist ein willkommener Anlass, einen Blick auf die aktuellen Tabellen in den einzelnen Ländern zu werfen. So auch in Deutschland, wo ein neues Phänomen bedenklich und zunehmend an Gestalt annimmt: Fußball-Konzerne verdrängen immer mehr die Traditionsvereine von ihren angestammten Plätzen und unterlaufen damit auf leisen Sohlen die 50plus1-Regelung im deutschen Berufsfußball.

Starke Finanzkraft, kaum Fußballgeschichte:Die Werksauswahl aus dem Rheinland, ein Beispiel jener Clubs aus der Bundesliga, die durch erhebliche Förderung aus der Industrie die Traditionsvereine zunehmend verdrängen. Das Foto ist vor einem guten Jahr am Waldschlößchen entstanden, wo die Equipe des Chemiegiganten zum Auftakt der DFB-Pokalhauptrunde 2013/14 mit einem eigenen Omnibus zum Waldschlößchen angereist war und mit 6:1 den SV Lippstadt aus dem Wettbewerb warf. Archiv-Bild: Hans Zaremba

„Plastikvereine“

Noch ist der FC Bayern München, ein im Jahr 1900 gegründeter Verein mit einer langen Tradition, der unangefochtene Primus im Oberhaus. Doch dicht hinter ihm liegen schon Hoffenheim (Platz 2), Leverkusen (4) und Wolfsburg (7) auf den aussichtsreichen Rängen für eine Teilnahme in den europäischen Wettbewerben 2015/16. Alles Ligisten, die keine klassische Geschichte haben, aber mit viel Geld aus der Wirtschaft gefördert werden und nach oben drängen. Derart nachdrücklich haben die oft von den Fans der etablierten Clubs als „Plastikvereine“ verspotteten Equipen bislang das Bild noch nicht bestimmt. Zugleich befinden sich die ehemaligen Meister VfB Stuttgart, SV Werder Bremen und Hamburger SV auf einen Weg, der vor ihnen schon die früheren Titelträger 1. FC Köln und die Eintracht Frankfurt gehen mussten: Das Abrutschen ins Mittelmaß mit ständiger Gefahr, vom Abstieg ereilt zu werden. Bislang noch nicht erfasst von diesem Sog sind die westfälischen Erzrivalen Borussia Dortmund und FC Schalke 04. Sie durchleben zwar derzeit auch eine sportliche Krise, dürften aber durchaus das Potential haben, sich von der Konkurrenz aus Baden-Württemberg und den norddeutschen Stadtstaaten absetzen zu können.

Einflussnahmen

Der Blick auf die Spitze der Zweitliga-Tabelle vermittelt ein noch drastischeres Bild. Auf dem ersten Rang befindet sich mit dem FC Ingolstadt 04 ein Team, das beim ersten Anschauen als ein ganz normaler Fußballverein erscheint, im Wesentlichen jedoch ein nach der im Jahr 2004 vollzogenen Fusion der Fußballabteilungen von MTV Ingolstadt und ESV Ingolstadt ein Anhängsel von Audi ist. Die Dominanz des Autoherstellers besteht nicht in dem nach ihm benannten „Sportpark“ für 15.000 Zuschauer, sondern auch durch den großen Einfluss auf die Vermarktung von Werbeplattformen und Verwertungsrechte für den Zweitligisten. Getoppt wird dies noch von der Crew aus Leipzig, die sich mit enormer Hilfe eines Unternehmers, der einen Brausemix vertreibt, in kurzer Zeit von der dritten Liga auf Rang vier der zweiten Liga heran gerobbt hat, obwohl sie erst vor fünf Jahren gebildet wurde.

Konsequenzen

Folglich sind viele Verantwortliche der für den Spielbetrieb der ersten und zweiten Liga zuständigen DFL (Die Liga-Fußballverband e.V.) besorgt, dass durch Konstruktionen wie in Hoffenheim, Leverkusen, Wolfsburg, Ingolstadt und jetzt verstärkt in Leipzig die bisher noch vom überwiegenden Teil der Erst- und Zweitliga-Clubs Liga befürwortete 50plus1-Regelung (nach der es Kapitalanlegern nicht möglich sein soll, die Stimmenmehrheit bei den Vereinen zu übernehmen) versteckt außer Kraft gesetzt wird. Das Ziel der in Ingolstadt und Leipzig aus dem Boden gestampften Vereinigungen ist augenfällig: Rascher Aufstieg ins Oberhaus. Dabei gehen die Leipziger gegenüber den Ingolstädtern sicher noch etwas hemmungsloser vor. Dies offenbart schon ihre fadenscheinige Namensfindung. Das altbackene Etikett „Rasenballsport“ beinhaltet zwar keine Tradition, aber die Werbebotschaft für ein sogenanntes Energie-Getränk. Die Zeit drängt, dass die DFL aus diesen Vorgängen rasch ihre Konsequenzen zieht und der unguten Entwicklung einen Riegel vorschiebt. Sonst wird schon bald erhebliches an deutscher Fußballgeschichte verloren gehen.