Aushöhlung von „50plus 1“ befürchtet

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Hans Zaremba über den Investorendeal in der Bundesliga

Wer Jakob Koenen, dessen Todestag sich am 16. Januar zum 50. Mal jährt, als engagierten Vorkämpfer für die Bundesliga erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, dass er dem im Dezember von der DFL (Deutsche Fußball-Liga) gestatteten Investorendeal gebilligt hätte. Die Kritiker des umstrittenen Einstiegs eines Privat–Equity-Fonds bei der DFL sehen darin eine Abkehr vom basisorientierten Volkssport.

Werl am Samstag, 25. November 2023:
Die Momentaufnahme auf der Raststätte „Haarstrang“ bei der Fahrt der Lippstädter BVB-Freunde mit dem Omnibus des SV Lippstadt 08 zum Heimspiel von Borussia Dortmund gegen Borussia Mönchengladbach (4:2) ist zugleich der Beleg eines guten Zusammenwirkens zwischen den schwarz-gelben Anhängern und dem schwarz-roten Fußball vor Ort.
Archiv-Foto: Sammlung Hans Zaremba

Vorbehalte

Die jetzt angestrebte Investorengewinnung widerspricht den Intentionen jener Personen, die im Verbund mit dem damaligen Lippstädter Bürgermeister vor und auf dem legendären Dortmunder Bundestag des DFB (Deutscher Fußball-Bund) im Juli 1962 die Einführung der Fußball-Bundesliga durchgesetzt haben. Speziell befürchten nun viele Fans der Traditionsvereine – auch in der heimischen Region – in dem am 11. Dezember geöffneten Investoren-Weg die Aushöhlung der in Deutschland geltenden sogenannten „50+1“-Regel. Sie ist Bestandteil der Satzung des DFB und soll die Übernahme der Entscheidungen über die Strategie eines Fußballvereins durch Spekulanten verhindern. Auch die DFL, die seit dem 1. Juli 2001 die Interessenvertretung der ersten und zweiten Bundesliga gegenüber dem DFB und ihre Vermarktung verantwortet, hat „50+1“ in ihr Regelwerk aufgenommen. Die Beispiele aus England, wo sich Finanzhaie durch ihren uneingeschränkten Zugriff auf die Spitzenclubs die Vorherrschaft erkaufen können, unterstreichen die berechtigten Vorbehalte gegen das von der DFL mit knappster Mehrheit durchgeboxte Investorenmodell. Im Mittelpunkt des Argwohns der Fanszenen steht eine weitere Zersplitterung des Spieltags mit noch mehr ungleichen Anstoßzeiten. Was einst zum Bundesliga-Beginn in 1963 mit einem einheitlichen Matchbeginn am Samstag, meist um 15.30 Uhr, begann, hat sich unterdessen auf immer mehr Tage und Uhrzeiten verteilt. Momentan vom Freitagabend über den Samstag bis zum Sonntag. Eine Entwicklung, die den Wettbewerb um Meisterschaft und Abstieg ständig verzerrt. Zudem hat dies seine Folgen auf die Besucherzahlen für die Amateure in ihren Ligen, wo sich oft die Auftritte mit denen im Berufsfußball überlappen. Betroffen davon ist ebenso der Regionalligist SV Lippstadt 08, der häufig lediglich 500 Zuschauer in seiner schmucken Arena „Am Bruchbaum“ hat, obwohl er bei seinem schmalen Etat und ohne jegliche Mittel aus den Fernsehgeldern eigentlich gut 1.000 benötigt.

Proteste

Nach dem Votum von 24 der insgesamt 36 stimmberechtigten Vertreter aus den beiden höchsten deutschen Fußballklassen für den fragwürdigen Schritt sind in der „englischen Woche“ vor Weihnachten im Ober- und Unterhaus der Bundesliga die Proteste voll entbrannt. Der in den Stadien arrangierte Boykott beinhaltete nach dem Anpfiff jeweils ein zwölfminütiges Verstummen auf den Rängen. Die in den Fanszenen organisierten Anhänger des Spiels mit dem runden Leder teilten dazu in einem Schreiben mit, „dem Ausverkauf des deutschen Fußballs nicht tatenlos zuzusehen“. Um darzulegen, „dass der vielbeschworene 12. Mann bundesweit nicht bereit ist, als Teil der Verhandlungsmasse des DFL-Deals mit dubiosen Investoren herzuhalten, werden wir zwölf Minuten schweigen“, war von ihnen zu vernehmen. Und die im Vereinsregister eingetragene Bürgerbewegung „Finanzwende“ erwartet ein neues Ausmaß der Kommerzialisierung. Der DFL-Plan sieht vor, sechs bis acht Prozent der Anteile einer DFL-Tochtergesellschaft, in welche die kompletten Medienrechte ausgelagert werden, für zwei Jahrzehnte zu veräußern. Dafür soll zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro eingenommen werden. Das bedeutet für die Klubs aber auch, dass sie in den nächsten 20 Jahren auf sechs bis neun Prozent aus dem Verkauf der Medienrechte zugunsten des Geldgebers verzichten müssen. Die Meinungen der Vereine sind recht verschieden. Während man beim 1. FC Köln die Auffassung vertritt, dass der deutsche Fußball „mit seiner Historie und seiner Verankerung in der Gesellschaft kulturell“ nicht zum Ansatz eines Private-Equity-Unternehmens passe, sieht BVB-Boss und DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke in dem Konzept einen möglichen Wachstumstreiber. Überdies entzweit den Profifußball und seine Fans die Frage, so Thomas Kessen von Vereinigung „Unsere Kurve“, ob die entscheidende und vermutete letzte „Ja“-Stimme von Martin Kind und Hannover 96 bei dem geheimen Beschluss ordnungsgemäß abgegeben wurde.