Hans Zaremba über Clemens Tönnies
Es gibt unter den Bossen im deutschen Fußball kaum einen Menschen, der so häufig und heftig in der Kritik stand wie der Aufsichtsratsvorsitzende des FC Schalke 04, Clemens Tönnies. Während dem Mann aus Rheda-Wiedenbrück bislang vorwiegend sein Gebaren als Großmetzger – mit Vorwürfen von zweifelhaften Bedingungen in seinen Schweinemastbetrieben und für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer – viele negative Schlagzeilen einbrachten, ist er nun durch seine rassistischen Bemerkungen über die Menschen in Afrika auf dem „Tag des Handwerks“ in der Woche zum Liborifest in Paderborn vollends zur untragbaren Person des Fußballsports geworden.
Unhaltbares Votum
Was allerdings der Ehrenrat der Knappen nach der schweren verbalen Entgleisung des tonangebenden Funktionärs der Gelsenkirchener beschlossen hat, ist genauso unhaltbar wie zuvor die in Paderborn erfolgten Auslassungen des Chefs eines der größten europäischen Fleischproduzenten. Bei seiner Rede in der Domstadt hatte der Aufsichtsratsboss des Bundesligisten aus dem Ruhrpott erklärt, dass Steuererhöhungen kein angemessenes Mittel sind, um die Erderwärmung zu stoppen. Sein Vorschlag war, lieber zwanzig Kraftwerke in Afrika zu finanzieren, den er mit dem abstoßenden Ausspruch „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn`s dunkel ist, Kinder zu produzieren“ verband. Nach dem sich der Ehrenrat des FC Schalke 04, dem auch ein früherer Anwalt des umstrittenen Industriellen und Repräsentanten der Königsblauen angehört, mit dem Vorfall befasst hatte, ließ das Gremium ausrichten, dass der gegen Clemens Tönnies erhobene „Vorwurf des Rassismus unbegründet“ sei. Nach Auffassung der in Gelsenkirchen tagenden Runde habe der mächtigste Mann der Schalker nur „gegen das in der Vereinssatzung verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen“. Als Konsequenz werde der gerügte Häuptling des siebenmaligen deutschen Fußballmeisters eine dreimonatige Pause einlegen, danach aber seine Tätigkeit im Aufsichtsrat wieder aufnehmen. Ein rundweg seltsamer Schiedsspruch, den hier drei Juristen, ein Steuerberater und ein Pfarrer getroffen haben.
Offene Fragen
Welcher Ehrbegriff dieser Entscheidung zugrunde liegt, lässt sich aber nicht erkennen. Im Schalker Leitbild steht immerhin: „Wir zeigen Rassismus die Rote Karte und setzen uns aktiv für Toleranz und Fairness ein.“ Offen bleibt zudem die Frage, was der lediglich gelbverwarnte 63jährige in seiner – von ihm selbst vorgeschlagenen (!) – Auszeit vorhat. Auf die Antwort sind sicherlich auch etliche Fans des Traditionsvereins aus dem Revier gespannt, von denen nach dem merkwürdigen Ukas des Ehrenrates bereits scharfe Proteste zu registrieren waren. So auch am vergangenen Wochenende beim 5:0 der Schalker im DFB-Pokal beim Regionalligisten SV Drochtersen/Assel, als das Banner „Wir zeigen Tönnies die Rote Karte‘ zu sehen war. Viele Kurvengänger des 1904 gegründeten FCS 04 verstehen nicht, warum die Macht des Aufsichtsratsvorsitzenden stärker ist als die fundamentalen Grundwerte ihres Vereins. Ob der Impresario des Vorstadtclubs nach seinem wohl größten Fauxpas in seiner 25jährigen Zeit am Schalker Markt dort noch einmal jene dominante Rolle einnehmen kann, die er seit 2001 als Lenker des Aufsichtsrates (mit der Beschäftigung von 23 Profitrainern, Rekordumsätzen und einem gleichzeitigen Anstieg der Gesamtschulden auf 219 Millionen Euro) oftmals diktatorisch ausgeübt hat, ist angesichts der vielen Widerstände aus den eigenen Reihen und der breiten öffentlichen Missbilligung höchst unwahrscheinlich.
Beschädigte Glaubwürdigkeit
Auch vom DFB (Deutscher Fußball-Bund) droht dem Unternehmer aus Rheda-Wiedenbrück Ungemach. Dessen Interimschef und Präsident von Borussia Dortmund, Reinhard Rauball, meinte: „Ich war sehr überrascht, dass ihm das so passiert ist, und das kann man nicht durchgehen lassen.“ Ebenso hat auch die Politik auf die Vorgänge reagiert. ‚Natürlich, wenn ich einen ganzen Kontinent und seine Bevölkerung letztlich in eine Ecke stelle, dann erfüllt das für mich schon eher den Tatbestand des Rassismus als ’nur‘ den der Diskriminierung“, war nach dem Votum des Schalker Ehrenrates von der Vorsitzenden des Sportausschusses im Bundestag, Dagmar Freitag (SPD) aus Iserlohn, zu vernehmen. Sie sprach von einem „Tabubruch ohne Skrupel“ und forderte eine klare Haltung vom DFB. Clemens Tönnies (mit seinen abschätzigen Äußerungen) und der FC Schalke 04 (mit der fragwürdigen Verfügung seines Ehrenrates) haben sich nicht nur selbst geschadet, sondern auch dem gesamten Profifußballbetrieb, der immer mehr an Glaubwürdigkeit verliert. Wahrlich kein guter Rahmen für die am kommenden Wochenende beginnende 57. Auflage der Fußballbundesliga, wo die Schalker bei der Borussia in Mönchengladbach antreten müssen.