Stimme des Fußballs im Westen

Hans Zaremba über Sven Pistor in Lippstadt

Wenn auch heute die Fußballfans am Samstagnachmittag die Bundesligaspiele direkt im Bezahl-Fernsehen verfolgen können, ist „WDR 2 Liga live“ für viele Freunde des Kicker-Sports weiterhin die bevorzugte Informationsquelle geblieben. Der Radio-Klassiker ist eng mit Sven Pistor, Stimme des Fußballs im Westen, verbunden, der durch die Hörfunk-Sendung seit knapp 20 Jahren führt. Nach Kurt Brumme und Dietmar Schott ist er der dritte Moderator der beliebten Fußball-Präsentation im WDR..

Die Stimme des Westens, von der an der Lippe auch ernste Töne zu vernehmen waren:Der WDR-Hörfunkmoderator Sven Pistor (Mitte), umrahmt vom HSV-Jünger Karl-Heinz Tiemann (rechts) und dem BVB-Anhänger sowie Verfasser dieses Beitrages, Hans Zaremba. Foto: Phillip Friedrich

Launiger Abend

Nur wenige der Hörer des am 26. März 1972 in Köln geborenen Sportjournalisten hatten bislang von ihm eine visuelle Vorstellung, da der Radio-Conférencier auf der TV-Mattscheibe kaum zu erspähen ist. Nun war der samstägliche Kommentator mit seinem unterhaltsamen Programm „Pistors Fußballschule – Alles Vollpfosten“ auf Tournee in Lippstadt. Etwa 270 Frauen und Männer, unter ihnen offenkundig zahlreiche bekennende Sympathisanten der westfälischen Bundesligisten aus Dortmund und Gelsenkirchen, erlebten in der Aula des Evangelischen Gymnasiums einen launigen Abend mit Anekdoten, Videos und kurzer Lesung. Am Ende seiner Show, auch gespickt mit aktuellen Beiträgen – wie Franck Ribery und sein „goldenes“ Steak – und Rückblicken mit auffälligen Kuriositäten im Fußball, wurde Sven Pistor ernst. Selbst Halbschwede, sei es schon in seiner Jugendzeit beim Turnverein Rodenkirchen normal gewesen, dass der Sprössling türkischer Arbeiter oder der Junge aus Belgien zu den Stützen im Team gehörten. Aussagen wie die vom Repräsentanten der rechtspopulistischen AfD, Alexander Gauland, aus dem Mai 2016 über den Nationalspieler mit Migrationshintergrund, Jerome Boateng („Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“) hätten im Fußball absolut keinen Platz. Nicht nur für das klare Bekenntnis gegen Rassismus und Ausgrenzung bekam der WDR-Mann, der auch der Autor des Buches „50 Dinge, die man über den Fußball-Westen wissen muss“ ist, Beifall. Ebenso bei anderen Stellen der in zwei Blöcke zu je einer Stunde strukturierten Aufführung gab es für den gewinnenden Comedian – mit dem auch das wöchentliche Hörfunk-Tippspiel „Alle gegen Pistor“ gepaart ist, reichlich Applaus.

Eröffnung eines über zweistündigen Bühnenprogramms: Sven Pistor begrüßt sein Publikum in der Aula des Evangelischen Gymnasiums in Lippstadt, darunter auch viele heimische Fußballfreunde der westfälischen Bundesligsten aus Dortmund (BVB 09) und Gelsenkirchen (FC Schalke 04).

Ernste Passagen

Neben etlichen lockeren Sprüchen beinhaltete das Programm des Entertainers aus der Domstadt am Rhein auch mehrere ernste Passagen. So seine beiden Dialoge mit dem einstigen Bundesliga-Schiedsrichter Jürgen Jansen, der von 1993 bis 2006 insgesamt 143 Partien in der Beletage des deutschen Fußballs leitete. Der in Essen lebende und gelernte Kaufmann für Versicherungen und Finanzen war auch Schiri des außergewöhnlichen Derbys zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 um Weihnachten 1997. Dabei erzielte der damalige Keeper der Knappen, Jens Lehmann, in der Nachspielzeit nach einer fragwürdigen Eckball-Entscheidung des Referees sein berühmtes Tor zum Endstand von 2:2 und somit den ersten Bundesliga-Treffer eines Torstehers aus dem Spiel heraus. Die folgende Situation nach dem Abpfiff sei schon sehr bedenklich gewesen, als einige Dortmunder um ihren damaligen Spielmacher Andreas Möller beinahe die abgeschlossene Schiedsrichter-Kabine eintraten. Erst zwei Stunden später habe er das Stadion in einem verdunkelten Automobil verlassen können. „Gut“, bekannte Jansen 21 Jahre später auf der Lippstädter Bühne, „war ja auch kein Eckball“. Den heute oft gescholtenen und auch Sven Pistor auf dem Podium kritisch beäugten Videobeweis gab es zu jener Zeit noch nicht. Für den seit 2006 selbstständigen Vermögensberater war es eine „Tatsachentscheidung“, die er kurzweg als „das Salz in der Suppe“ bezeichnete. Still wurde es in der Schul-Aula wieder, als der 58jährge Ex-Spielleiter von den falschen Anschuldigungen im Zuge des Wettskandals um Robert Hoyzer (jener Mann, der im August 2004 in Paderborn im DFB-Pokalspiel gegen den Hamburger SV zwei fragwürdige Strafstöße zugunsten der Hochstift-Crew verhängte) berichtete. Es war ein Abschnitt, der Jürgen Jansen und seiner Familie stark zugesetzt habe. Später wurde der Schiedsrichter vom DFB vollständig rehabilitiert und finanziell entschädigt.

Ein ernstes Gespräch mit einem ehemaligen Schiedsrichter: Sven Pistor aus Köln im Dialog mit Jürgen Jansen aus Essen. Fotos (2): Karl-Heinz Tiemann