Anmerkungen zur Bayern-Schelte von Hans Zaremba
Es sollte eine Generalabrechnung mit den Kritikern des FC Bayern München und mit den Medien werden, die vom Branchenführer im deutschen Fußball gut 24 Stunden vor dem achten Spieltag der aktuellen Bundesligasaison mit ihrer Pressekonferenz an der Säbener Straße in München initiiert wurde. Doch der Schuss ging nach hinten los.
Fremdscham
Es wäre für den größten Verein in der Bundesrepublik Deutschland zwar schlauer gewesen, sich nach vier sieglosen Begegnungen auf die sportliche Gegendarstellung – die mit dem 3:1 seiner Profis in Wolfsburg glückte – zu beschränken, aber nicht so öffentlichkeitswirksam wie die rund 30 Minuten dauernde Medienschelte seiner Bosse, Präsident Uli Hoeneß (66), Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge (63) und Sportdirektor Hasan Salihamidzic (41). Der denkwürdige Auftritt des Trios hinterlässt Verwunderung. Vermutlich haben die Darsteller der bizarren Aufführung am Ende wohl selbst nicht mehr so recht gewusst, was ihr Schauspiel eigentlich sollte. Selbst überzeugte Fans des Titelverteidigers, das legten im Anschluss an die Darbietung der drei Bayern-Häuptlinge etliche Kommentare nahe, empfanden so etwas wie Fremdscham, als sich die Führungsriege einige Berichterstatter zum Teil namentlich vorknöpfte und auch den ehemaligen Angestellten Juan Bernat. Vielleicht glauben die Münchner, sich ihre heftige Journalistenschelte wegen ihrer eigenen Medienmacht mit gleich drei Pay-TV-Kanälen – FC Bayern.tv (‚Basisprogramm‘), FC Bayern.tv plus (‚Matchchannel‘) und FC Bayern.tv live (‚Rund um die Uhr‘) – erlauben zu können. Doch hier dürften sich die Protagonisten aus München geirrt haben. Bei aller Begeisterung für den am 27. Februar 1900 gegründeten Verein verfügen nicht sämtliche seiner Anhänger über die finanziellen Möglichkeiten, derartige Programme zu abonnieren.
Maulkorb
Das Echo auf die abstruse Veranstaltung in der Zentrale des erfolgreichsten deutschen Fußball-Clubs war in den Printpublikationen sowie im Radio und Fernsehen überwiegend verheerend, was nach dem absonderlichen Theater in München nicht überraschte. Überaus akzentuiert interpretierte die „Berliner Zeitung“ die Pressekonferenz von München mit den Worten „Ausgerechnet die vorbestrafte Klubspitze des FC Bayern spricht von Anstand und Würde und erliegt dem einfachsten Reflex in Krisenzeiten – die Medien sind schuld.“ Wer – wie der aus Lippstadt stammende Funktionär und ehemalige Nationalkicker Karl-Heinz Rummenigge – den Artikel 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) zitiert, sollte auch den Artikel 5 der Verfassung („Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten‘) im Blick haben. Nicht mehr oder weniger, was dort zur Pressefreiheit garantiert wird, erfolgt mit der fortwährenden Berichterstattung über die populärste Sportart in Deutschland, auch wöchentlich in „Lippstadt am Sonntag“ und auf dieser Homepage. Das wird auch in der Zukunft so sein. Drohgebärden von offenkundig nervösen Personen aus der Chefetage des FC Bayern München werden einer kritischen Begleitung des Fußballs keinen Maulkorb verpassen können. So auch nicht dem heutigen Bundesligakommentar mit der Überschrift „Bayern München lediglich Vierter“.