Anmerkungen von Hans Zaremba
Wenn Deutschland an diesem Sonntag um 20.30 Uhr zu seinem ersten Match beim WM-Turnier in Südafrika gegen Australien in Durban antritt, dann hat die 19. Endrunde um die Fußballweltmeisterschaft schon fast drei Spieltage absolviert. Für die vom Bundestrainer Joachim Löw aufgebotenen Kicker wird es im Land der klimatischen, sozialen und politischen Gegensätze keine leichte Aufgabe sein, die in sie gesetzten hohen Erwartungen zu erfüllen. Die deutsche Nationalmannschaft hat zwar vor eigenem Publikum in Frankfurt am Main ihr letztes Vorbereitungsspiel mit einem respektablen 3:1 gegen Bosnien-Herzegowina gewonnen und einen durchaus überzeugenden Eindruck hinterlassen, doch dies ist nur eine Momentaufnahme.
Fragen und Zweifel
Die Gruppenphase mit den Treffen der Teams aus Australien am Sonntagabend, Serbien (Freitag, 18. Juni) und Ghana (Mittwoch, 23. Juni) wird bereits offenbaren, ob es dem Freiburger Sportlehrer im Dienste des Deutschen Fußballbundes (DFB) gelungen sein wird, den verletzungsbedingten Ausfall seines bisherigen Kapitäns und wichtigsten Kickers Michael Ballack auszugleichen. Die Bestimmung von Philipp Lahm zum neuen Träger der Armbinde war gewiss eine richtige Entscheidung. Auch in seinem Verein, bei den Bayern in München, ist der selbstbewusste Verteidiger zum Führungsspieler aufgestiegen und war in der abgelaufenen Saison einer der Garanten des Double-Erfolges der Männer von der Isar in Meisterschaft und Pokal. Bei den anderen Entscheidungen, wie die Besetzung im Tor mit dem erst 24jährigen Schalker Urgewächs Manuel Neuer und die Berufung des weit unter seiner Normalform spielenden Münchener Stürmers Miroslav Klose, sind jedoch etliche Bedenken angebracht. Unverständlich ist zudem, warum Joachim Löw in der Frankfurter Begegnung mit der Elf vom Balkan dem Leverkusener Torjäger Stefan Kießling keine Chance eingeräumt hat. Immerhin hat der 26 Jahre alt Rechtsfuß in der 47. Auflage der Bundesliga mit seinen 21 Treffern in 33 Spielen den zweiten Rang bei den Torjägern belegt. Rätselhaft ist für den Beobachter auch, warum der bisherige Gelsenkirchener Stürmer Kevin Kuranyi, in der letzten Saison ebenfalls ein erfolgreicher Goalgetter, und der erfahrende Bremer Mittelfeldspieler Torsten Frings nicht ins Aufgebot geholt wurden. An ihrer sportlichen Fitness kann es nicht gelegen haben.
Erfolg und Begeisterung
Es wird viel von den Leistungen und dem Weiterkommen der eigenen Equipe abhängen, ob die Weltmeisterschaft am Zipfel des schwarzen Kontinents auch in Deutschland die Fans verzücken wird. Die große Leidenschaft für die WM-Ereignisse, wie sie 2006 allerorten zu verspüren war, wird nur schwer zu toppen sein. Dafür ist die Veranstaltung diesmal zu weit weg von Europa. Gleichwohl haben sich viele heimische Fußballanhänger – wie die „Optimisten“ von den Lippstädter BVB-Freunden in ihrem Vereinslokal „Jathe`s Kegelbahnen“ – auf die Tage bis zum Finale in vier Wochen in Johannesburg eingerichtet. Ein frühes Ausscheiden der Männer des DFB dürfte aber in Deutschland schnell zu einem Abflachen der Begeisterung für das nach der Olympiade wohl bedeutendste Sportereignis der Welt führen. Zugleich wird dann auch die Personalakte Joachim Löw ins DFB-Archiv in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise wandern, wenn dieser Weg nicht ohnehin nach der im Februar gescheiterten Vertragsverlängerung mit dem Schwarzwälder vorgegeben wurde. Die ungeklärte Zukunft des 50jährigen gelernten Groß- und Außenhandelskaufmanns beim größten Sportverband der Welt ist alles andere als förderlich für das Auftreten der 23 deutschen Fußballer in der immer noch von der Apartheid geprägten Regenbogennation.