Beginn eines neuen Aufbruchs?

Hans Zaremba über die Nationalmannschaft

Viel Skepsis begegnete Joachim Löw vor dem nun in Amsterdam erfolgten Start der von ihm betreuten Nationalmannschaft in die Qualifikation für das Europaturnier 2020. Etliche Vorbehalte gegenüber dem DFB-Mann basierten auf die von ihm Anfang März verkündete Verfügung, die drei Weltmeister von 2014 und Profis des FC Bayern München, Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller, aus seinem Kader auszusortieren. Während diese Maßnahme bei den Bossen an der Isar naturgemäß heftige Kritik auslöste, fand der Bundestrainer bei anderen in der Szene für die Ausbootung der langjährigen Nationalspieler des Rekordmeisters großes Kopfnicken.

Für ihn war Amsterdam womöglich der sanfte Auftakt einer neuen Phase der Nationalmannschaft: Der Chronist des Lippstädter BVB-Fanclubs, Hans Zaremba, über das 3:2 der DFB-Crew gegen Oranje.

Passende Formation

Der Auftritt der von ihm formierten Elf mit dem 3:2 gegen Holland am Sonntagabend war natürlich Balsam für die geschundene Seele des seit 2006 im Dienste des DFB stehenden Coachs. Nach dem katastrophalen Jahr 2018 mit dem Vorrunden-Aus des Titelverteidigers bei der Weltmeisterschaft in Russland gab es nicht wenige Beobachter des Fußballs, die einen radikalen Umbau beim DFB – auch bei den Betreuern vom Manager bis zu den Trainern – forderten. So wurde der Dreier seiner Auswahl beim Erzrivalen in den Niederlanden auch zum Sieg von Joachim Löw gegenüber seinen Tadlern, die ihn nicht (mehr) für den richtigen Übungsleiter der Nationalmannschaft halten. Der 59jährige Schwarzwälder fand in der Aufstellung seiner Mannschaft in der Johan-Cruyff-Arena die passende Zusammensetzung. Von den verschmähten Spielern des amtierenden deutschen Meisters (Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller) sprach nach dem Schlusspfiff in Amsterdam kaum noch jemand. Mit Toni Kroos (Real Madrid) und Manuel Neuer (Bayern München) waren noch zwei Akteure mit von der Partie, die am Sonntag, 13. Juli 2014, in Brasilien mit Deutschland gegen Argentinien (1:0) Weltmeister wurden. Die vom Verantwortlichen an der Seitenlinie verlangte neue Spielphilosophie mit mehr Geschwindigkeit und Dynamik setzten in dem Treffen mit Oranje vor allem die drei Torschützen, Leroy Aziz Sané (Manchester City, Serge David Gnabry (Bayern München) und Niko Schulz (TSG 1899 Hoffenheim), geschickt um.

Zufriedener Trainer

Das Fazit: Die deutsche Nationalmannschaft kann noch ein Pflichtmatch gewinnen. Auch wenn der in der letzten Minute erzielte Dreier glücklich daherkam. Für die erneuerte Crew von Joachim Löw war es der erste Sieg in einem Pflichtspiel seit dem spät errungenen 2:1 gegen Schweden in der WM-Vorrunde 2018 in Russland. Immerhin sind seitdem neun Monaten vergangen. Gegen die Holländer haben die Deutschen zuletzt vor 23 Jahren gewonnen. Der knappe Sieg von Amsterdam am Sonntag war trotz der Schwächen in der zweiten Halbzeit womöglich der sanfte Auftakt einer besseren Zeit. ‚So ein Sieg wird uns helfen im weiteren Prozess‘, sagte ein zufriedener Bundestrainer nach dem Abpfiff. Ob dieser Erfolg, der nach dem vor dem Pausentee herausgeholten 2:0 im zweiten Durchgang zeitweise durch die zwei Gegentreffer gefährdet schien, schon der Beginn eines neuen Aufbruchs ist, wird die Zukunft zeigen. Ein Sieg allein sagt dazu noch nicht allzu viel aus.

Gewisse Brisanz

Etwas merkwürdig erscheint dem Beobachter die neue Rolle von Jürgen Klinsmann als TV-Experte, mit der er bei den Spielen von Deutschland gegen Serbien und in den Niederlanden in Erscheinung trat. Wenn der unmittelbare Vorgänger des Bundestrainers seinen Nachfolger live und öffentlich unter die Lupe nimmt, dann hat beinhaltet dies schon eine gewisse Brisanz. Doch daran werden sich die Fernsehzuschauer wohl gewöhnen müssen. Bei insgesamt sieben Spielen bis zur Europameisterschafts-Endrunde 2020 wird nun der 54jährige für den Sender RTL die Arbeit seines einstigen Assistenten öffentlich beurteilen.