Viel zu spät und zu bescheiden

Hans Zaremba zur WM-Analyse von Joachim Löw

Als Joachim Löw nach dem Bundesligastart seine Analyse zum blamablen Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft (WM) in Russland präsentierte, fragten sich auch viele Fans in der Region, wieso dies eigentlich so lange gedauert hat. Kritik gab es auch zum Umstand, weshalb der Bundestrainer nicht schon Ende Juli beim Trainerkongress des Bundes Deutscher Fußballlehrer (BDFL) in Dresden seine Gedanken zu der krachend gescheiterten WM-Mission dargelegt hat.

Kritische Anmerkungen zu verspäteten WM-Analyse von Joachim Löw: Dies stellt der Chronist des Lippstädter BVB-Fanclubs, Hans Zaremba, in seinem Beitrag zu den Auslassungen des Bundestrainers heraus.

Vorbild Didier Deschamps

Die Probleme zwei Monate lang unkommentiert auszusitzen, hat zwangsläufig dazu geführt, dass viele Themen von außen vorgeben werden. Wie die angebliche Spaltung in der vom 58jährigen Baden-Württemberger betreuten Auswahl zwischen Spielern mit und ohne Migrationshintergrund. Bei der WM war „Die Mannschaft“ offensichtlich keine einheitliche Crew. Etliche Kritiker forderten zudem: Der Bundestrainer sollte nicht nur analysieren, sondern auch reflektieren, was er als Verantwortlicher für den Teamgeist tun kann. Der Übungsleiter des Weltmeisters aus Frankreich, Didier Deschamps, der nicht von ungefähr als „General“ bezeichnet wird, sollte auch für den Cheftrainer des Ex-Weltmeisters ein Beispiel sein. Unabhängig vom sportlichen Wert hat der Franzose keinen Kicker mit nach Russland genommen, der den Betriebsfrieden hätte gefährden können. Am Beispiel von Karim Benzema, ein durch eine bizarre Geschichte in die Schlagzeilen geratener Stürmerstar von Real Madrid, unterstrich der Coach der Les Bleus seine Haltung. Eine Gündogan-Özil-Erdogan-Affäre in dem in Deutschland bekannten Ausmaß hätte der französische Sportlehrer wohl nicht geduldet, weil er absolut keine Unruhe wollte. Der Gewinn der Weltmeisterschaft bestätigte letztlich seine strengen Prinzipien. Auch auf dem Spielfeld bot seine Equipe ein Muster für Geschlossenheit, weil sich niemand der von ihm eingesetzten Weltklassefußballer für Aufgaben in der Defensive zu schade war.

Prüfstein für Joachim Löw

Deutlich hat nach dem Desaster in Russland auch der Kapitän des WM-Siegers von 2014 in Brasilien, Philipp Lahm, der deutschen Nationalelf und somit auch seinem einstigen Mentor Joachim Löw einen strafferen Führungsstil empfohlen. Für den bei solchen Ansinnen nur bedingt empfänglichen Mann auf dem DFB-Trainerstuhl werden die Länderspiele im Herbst 2018 auch zum persönlichen Prüfstein. Sollten die von ihm bestimmten Spieler keine neue Aufbruchsstimmung auslösen und die Zweifel in den Stadien nicht kippen, dann dürfte der für ihn bis 2022 verlängerte Anstellungsvertrag kaum noch etwas wert sein. Nach dem Debakel in Russland hatte der seit dem Sommer 2004 in den Diensten des DFB stehende frühere Bundesligaprofi mit den Stationen beim VfB Stuttgart und Eintracht Frankfurt „tiefgreifende Maßnahmen und klare Veränderungen“ angekündigt. Nach seinen Auslassungen vor den Länderspielen gegen Frankreich und Peru ist davon bisher noch nicht viel zu erkennen.

Bauernopfer Thomas Schneider

Nur im Stab bei den Betreuern soll es zum Umbau kommen. Das Bauernopfer scheint man nun in Thomas Schneider gefunden zu haben, der als Assistent des Bundestrainers – anders wie Joachim Löw früher bei Jürgen Klinsmann – nicht den richtigen Zugang gefunden haben soll. Bis auf die Rücktritte von Mesut Özil und Mario Gomes deuten sich noch keine gravierenden Umgestaltungen in der Mannschaft an. Niklas Süle, Leon Goretzka und Julian Brandt mit mehr Verantwortung auszustatten, sind vermutlich förderliche Maßnahmen. Die Rückkehr des in der Premier League in England tätigen Leroy Sane, dessen Ausbootung vor der Reise nach Russland nicht jeder Betrachter der Fußballszene verstand, könnte Tempo und Überraschungsmomente im Spiel der Nationalmannschaft des DFB bewirken.