Underdog besiegt Giganten

Der Pokalkommentar von Hans Zaremba

Zwei Schlagzeilen charakterisierten nach dem Endspiel um den DFB-Pokal zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern München (3:1) das Geschehen in Berlin in zutreffender Weise: „Ein Abschied, wie ein Abschied sein sollte“ und „Bayern-Abgang sorgt für Empörung“. Gemeint waren die Leistung des scheidenden Trainers des Erfolges des Außenseiters und künftigen Coachs des besiegten Favoriten, Nico Kovac, und das total unwürdige Verhalten der Verlierer aus der Metropole an der Isar.

Für ihn haben die Bayern mit vorzeitigen Meisterschaft ihren Hunger auf weitere Erfolge verlorenDer Lippstädter Fußball-Kolumnist Hans Zaremba analysiert das Pokalfinale zwischen Frankfurt und München.

Triumph für Frankfurt

Damit hatten wohl die wenigsten Fußballexperten gerechnet. Nico Kovac, der nach seinem im April angekündigten Wechsel vom Main an die Isar viele Anfeindungen aus der Fanszene der Adlerträger ertragen musste, schaffte es mit dem Underdog aus Hessen, den Giganten aus Bayern in die Schranken zu verweisen. Es war der erste Titel für die Rot-Schwarz-Weißen nach dem Pokalsieg aus dem Mai 1988 mit einem knappen 1:0 an gleicher Stelle im Finale gegen den VfL Bochum. Mit ihrem Triumph am Pfingstsamstag 2018 holten sie nach 1974, 1975, 1981 und 1988 nun bereits zum fünften Mal die begehrte Trophäe und überrundeten den Vorjahrsieger Borussia Dortmund (2:1 gegen Eintracht Frankfurt), der bisher wie zuvor Nürnberg und Köln auf vier Pokalgewinne blicken kann. Dem Kroaten auf der Bank des deutschen Meisters von 1959 (5:3 im Endspiel von Berlin nach Verlängerung gegen den Erzrivalen vom anderen Mainufer, Kickers Offenbach) gelang es, die einstige „launische Diva“ wieder zum gewichtigen Konkurrenten im deutschen Fußball zu formen.

Schlappe für München

Als die Fußballer aus Hessen den DFB-Pokal in die Höhe reckten, um das sensationelle 3:1 der Eintracht gegen den 18fachen Sieger zu bejubeln, war von den Kickern aus München weit und breit nichts zu sehen. Die Equipe von Jupp Heynckes hatte im Anschluss an die überraschende Schlappe nur schnell die Medaillen in Empfang genommen und war hastig in den Umkleideräumen des Olympiastadions davongelaufen. Das sorgte folglich für viel Aufgebrachtheit in den sozialen Netzwerken. Es ist ein ungeschriebenes Fußballgesetz, dass das unterlegene Team bei der Ehrung der Sieger anwesend ist und applaudiert. Als ‚charakterlos‘, ‚erbärmlich‘, ‚enttäuschend‘ und ‚peinlich‘ wurde das Verhalten der Bayern von Twitter-Nutzern beschrieben. Alle Freunde des Ballsports in Deutschland, die ohnehin nicht viel mit erfolgreichsten Fußballclub der Bundesrepublik anfangen können, fühlten sich mal wieder gänzlich in ihren Vorbehalten gegenüber der von den früheren Nationalspielern des FC Bayern München, Vereinspräsident Ulrich Hoeneß und Vorstandvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge, repräsentierten und oftmals arrogant auftretenden Zunft bestätigt.

Schwierig für Kovac

Augenscheinlich hat der FC Bayern München sein Ausscheiden im Halbfinale der Champions League 2017/18 gegen Real Madrid (1:2 in Fröttmaning und 2:2 bei den Madrilenen) nicht verkraftet. Bereits am letzten Spieltag der Mitte Mai beendeten Bundesligasaison mussten sie mit dem 1:4 gegen den VfB Stuttgart eine unerwartet hohe Niederlage vor eigenem Publikum einstecken. Nach dem schon Anfang April feststehenden Gewinn der 28. Meisterschaft scheint die Begeisterungsfähigkeit der Männer des Branchenführers erlahmt zu sein. Viele seiner hochbezahlten Profis hatten offensichtlich keinen Hunger mehr, weitere Erfolge einzufahren. Unstimmigkeiten im Team – die speziell bei den vom Trainer bestimmten Auswechselungen sichtbar wurden – haben das vom FCB nach 2013 angestrebte zweite Triple (Sieger in der Champions League und nationalen Liga sowie im DFB-Pokal) verhindert. Auf Nico Kovac wartet an seiner neuen Wirkungsstätte eine schwierige Aufgabe. Zudem trifft er bei seinem künftigen Arbeitgeber mit Ulrich Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge auf zwei dominante Leitfiguren, die in jüngster Zeit ihre unterschiedlichen Auffassungen öffentlich austrugen. So auch bei der Entscheidung, wer das Erbe des jetzt in den Ruhestand gehenden Übungsleiters Jupp Heynckes antreten sollte. Keine optimale Basis, dem erfolgsverwöhnten Club einen neuen Aufschwung zu vermitteln.