Die Qual der Wahl des Joachim Löw

Veröffentlicht am 

 von 

 in 

Blick auf die Nationalelf von Hans Zaremba

Nur wenige zustimmende Kommentare erhielt Joachim Löw, als er seine Männer für den nach der Spielzeit 2016/17 in Russland ausgerichteten Confed Cup benannte. Viele sahen in dem vom Bundestrainer bestimmten Aufgebot lediglich die Ansammlung von Spielern, denen man allenfalls eine B-Qualität attestierte. Doch nach dem überraschenden Erfolg der deutschen Equipe beim Turnier im flächengrößten Land der Erde hat der seit 2004 beim DFB angestellte Fußballlehrer die Qual der Wahl.

Blickt auf die personellen Möglichkeiten von Joachim Löw: Der Chronist der Lippstädter BVB-Freunde, Hans Zaremba, analysiert die Dichte der WM-fähigen deutschen Nationalspieler ein jahr vor der WM in Russland.

Chancen nutzen

Wenn der gelernte Goß- und Außenhandelskaufmann nach der kommenden Saison seine 23 Spieler für die Weltmeisterschaft in Russland zu nominieren hat, wird er zwangsläufig viele Erwartungen enttäuschen müssen. Nie hatte der Coach in seinen elf Jahren als sportlicher Leiter der Nationalmannschaft eine solch große Auswahl an WM-fähigen Kickern, gleichwohl wird er spätestens im Mai 2018 so vielen wie nie davor absagen müssen. Die Gefahr des 56jährigen, schon bei der Zusammenstellung der Männer für die Verteidigung des 2014 in Brasilien gewonnenen WM-Pokals die ersten entscheidenden Fehler zu begehen, ist nach dem Triumph beim Confed Cup groß. Da sich über den Gewinn der Mini-WM in Russland hinaus in Polen ebenfalls eine deutsche Mannschaft den Titel des U21-Europameisters sicherte, hat der einstige Bundesligaspieler (Freiburg, Stuttgart, Frankfurt und Karlsruhe) im WM-Jahr 2018 quasi drei komplette Aufgebote zur Verfügung. Aus denen kann er beliebig auswählen, was er am Ende freilich auch muss. Neben vielen professionellen Beobachtern sind auch die Fußballfans in Lippstadt und der angrenzenden Region baff angesichts der personellen Möglichkeiten, die sich für den WM-Titelverteidiger nach den sommerlichen Turnieren in 2017 bieten. Damit könnten die Wochen vor der WM 2018 für Joachim Löw die härteste Phase seiner DFB-Laufbahn werden. Nicht in dem Sinne, dass es das schwierigste oder meistbelastende Jahr für ihn wird. Es werden wahrscheinlich Monate sein, in dem er größte Strenge bei seinen Entscheidungen zeigen muss. Aber es sind auch Chancen, die sich 2018 für den Schwarzwälder auftun. Anders als 2014 vor der WM in Brasilien und 2016 vor der EM in Frankreich wird der Übungsleiter im nächsten Jahr kaum gezwungen sein, verletzte, angeschlagene oder außer Form geratene Spieler mit nach Russland zu nehmen.

Fluch überwinden

Dennoch wird ein schlagkräftiges Ensemble erforderlich sein, wenn Deutschland den Fluch überwinden will, der sozusagen über einem gerade noch gefeierten Confed-Cup-Sieger liegt. Ein gutes Omen war es nämlich noch nie, wenn man dem Publikum schon ein Jahr vor dem eigentlichen Großereignis offenbart hat, wie erfolgreich man aufspielen kann, mit welcher Belegschaft man auch gekommen sein mag. Zur Erinnerung eine kurze Rückblende: 1992 siegte Argentinien, aber bei der WM 1994 in den USA war für die Gauchos im Achtelfinale Schluss. 1997 triumphierte Brasilien und scheiterte 1998 erst im Finale am französischen Gastgeber. Ganz böse erwischte es die Grande Nation, als sie in 2001 als aktueller Welt- und Europameister auch noch den Confed Cup einheimste, aber bei der WM-Endrunde 2002 in Asien schon nach der Vorrunde, ohne ein einziges Tor zu erzielen, die Koffer packen musste. Auch die Brasilianer verbinden nicht nur gute Erfahrungen mit dem Confed Cup. Vielleicht liegt dies auch daran, dass sie nach fünf WM-Titeln (1958, 1962, 1970, 1994 und 2002) ohnehin im vorhandenen Glauben bestärkt wurden, die besten Fußballer der Welt in ihren Reihen zu haben. Dem Confed-Cup-Sieg von Brasil in 2005 folgte beim Sommermärchen 2006 in Deutschland das Aus im WM-Viertelfinale. So war es auch in 2009 und 2010 in Südafrika. Ein Jahr vor der WM im eigenen Land war wieder viel Freude angesagt, was allerdings dann im Juli 2014 bei der Endrunde mit dem 1:7 gegen Deutschland im Halbfinale geschah, war wohl die größte Schmach, die bislang die stolze Fußballnation am Zuckerhut erlebte.