Die Rothosen am Abgrund

Anmerkungen zum Hamburger SV von Hans Zaremba

Mit der Verpflichtung des 21. Trainers in 19 Jahren ist das gegenwärtige Schlusslicht der Bundesliga, der Hamburger SV, beim Verschleiß seiner Betreuer absoluter Spitzenreiter in der Branche. Doch es sind nicht die Übungsleiter, die für die Misere beim Traditionsverein verantwortlich sind. Vielmehr ist es das chronische Versagen der Vorstände, die den einstigen Vorzeigeclub in sein jetziges Desaster geführt haben.

Erinnerung an den Oktober 2005, wo der HSV beim BVB in Dortmund antrat und ein 1:1 erreichte.:Zufrieden waren sie mit dem Ergebnis eines schönen Fußballtages in einer prächtigen Atmosphäre. Von links nach rechts befinden sich im Bild der BVB-Anhänger Huldreich Meyer aus Hellinghausen, der bekennende HSV-Fan Bernhard Hüntelmann aus Bad Waldliesborn und der BVB-Sympathisant Gerd Mischer aus dem Paderborner Stadtteil Elsen. Archiv-Foto: Hans Zaremba

Trostlosigkeit

Aktuell ist der Niedergang des Siegers im Europapokal der Meister (1983) und im Wettbewerb der Cupgewinner (1977), sechsmaligen deutschen Meisters (1923, 1928, 1960, 1979, 1982 und 1983) und dreimaligen DFB-Pokalsiegers (1963, 1976 und 1987) mit dem Namen Dietmar Beiersdorfer verbunden. Der frühere Bundesligaprofi (HSV, Werder Bremen und 1. FC Köln) scheint massiv an der eigenen Untragbarkeit zu arbeiten und ist insbesondere nach der von ihm stillos verfügten Entlassung des Coachs Bruno Labbadia zum Gesicht der Trostlosigkeit bei den Rothosen geworden. Als der heutige Vorstandsboss vor zwei Jahren sein Amt in Hamburg antrat, bündelten sich damit Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Eine Zeit, die ebenso erfolgreich sein sollte, als er noch selbst für den HSV dem Ball nachjagte und wo es ihm beim letzten Titel der Hanseaten im DFB-Pokalfinale von 1987 glückte, gegen die Stuttgarter Kickers (3:1) einen Treffer zu markieren. Zudem erinnerten sich an Alster und Elbe noch etliche Beobachter an die Arbeit von Beiersdorfer als Sportchef beim HSV zwischen 2002 und 2009. Damals erwarb er sich den Beinamen „Dukaten-Didi“, als er es verstand, Spieler zu günstigen Tarifen nach Hamburg zu lotsen und sie oft mit Gewinn an andere Abnehmer im In- und Ausland weiterzureichen.

Abhängigkeit

Beim Antritt als Vorstandsvorsitzender im Juli 2014 ging dem Betriebswirtschaftler auch der Ruf voraus, über beste internationale Kontakte zu verfügen. Somit galt er als der perfekte Mann für den Neuaufbau jenes Vereins, den viele in der Szene noch mit dem langjährigen Idol der 1950er und 1960er Jahre, Uwe Seeler, verbinden. Indessen hat Beiersdorfer den Bundesligisten, der als einziger der Gründungsvereine von 1963 noch nie abgestiegen ist, stetig zugrunde gerichtet. Zwei Sportdirektoren und drei Übungsleiter haben während seiner Ägide bereits die Papiere bekommen. Noch gravierender ist jedoch die Abhängigkeit des HSV von seinem umstrittenen Förderer Klaus-Michael Kühne, die der Vorstandschef angesichts dramatischer Finanznöte seines Clubs vorangetrieben haben soll. Der Einzelaktionär eines Logistikdienstleiters hatte dem Hamburger Erstligisten im Sommer eine Transferoffensive bewilligt, die der Verein mit eigenen Mitteln kaum hätte realisieren können. Damit hat sich der in Hamburg geborene und am Zürichsee lebende Unternehmer offenkundig das Recht ausbedungen, bei Spielereinkäufen mitzureden. Obendrein meint er, öffentlich die Ziele der Kicker bestimmen und das handelnde Personal anzählen zu können.

Außendarstellung

Von Beiersdorfer war kein Widerspruch zu hören, als Kühne neulich dozierte, dass er zum Saisonabschluss mit einer Platzierung des HSV zwischen den Rängen sechs bis acht rechne und gespannt sei, ob der Trainer Labbadia die Mannschaft dafür in Schuss bringen werde. Spätestens da war nicht mehr so recht klar, wer eigentlich beim HSV das Sagen hat. Der Mäzen oder der Chef der Fußball AG? Mit lediglich einem Punkt aus fünf Begegnungen war somit das Aus für den in Darmstadt geborenen Betreuers besiegelt. Aber nicht nur der sportliche Ertrag, auch die Finanzen und die Strukturen werfen kein gutes Licht auf das Engagement von Beiersdorfer als Boss des Bundesligisten. Der von ihm nach verschiedenen Medienberichten zufolge am Telefon vorgenommene Rauswurf von Bruno Labbadia hat zugleich auch noch eine verheerende Außendarstellung des Dinos der Bundesliga offenbart.