Kein klarer Favorit zu sehen

Eine Zwischenbilanz der Euro 2016 von Hans Zaremba

Die bislang wohl größte Überraschung der Euro 2016 war nach Abschluss der Vorrunde der prestigeträchtige erste Rang von Wales in der Gruppe B vor dem großen Bruder aus England. Die Sonderstellung von Großbritannien im Fußball ermöglicht es allen Gliedstaaten des Vereinigten Königsreichs, eigene Teams für die von der Fifa (WM) und Uefa (EM) organisierten Turniere zu melden. Für das europäische Fußballtreffen konnten sich mit England, Nordirland und Wales gleich drei Insel-Crews qualifizieren, lediglich die Schotten erreichten nicht den Wettbewerb in Frankreich. Ein Titelfavorit ist nach den ersten zwölf Tagen mit seinen 36 Spielen noch nicht zu sehen.

Wer weiterkommen will, muss seine Chancen erheblich zielstrebiger verwerten:Das meinen Andrea Meyer und Bernhard Scholl von den Lippstädter OPTIMISTEN mit Blick auf das Spiel von Deutschland im Achtelfinale der Euro gegen die Slowakei. Archiv-Foto: Wolfgang Meyer

Deutschland

Für viele deutsche Fußballfans war der erreichte Platz 1 in der Gruppe C mit der Ukraine (2:0), Polen (0:0) und Nordirland (1:0) im Grunde eine Selbstverständlichkeit. Doch die sieben Punkte und drei Buden ohne Gegentor sagen noch nicht viel über die eigentliche Güte der DFB-Equipe aus, wenn auch das Match mit den Nordiren und den knapp 20 Torchancen einen Schritt des Weltmeisters zu alter Qualität aufzeigte. Für den Einzug in das Euro-Viertelfinale müssen am Sonntagabend in Lille die von Joachim Löw berufenen Kicker gegen die Slowakei ihre Möglichkeiten zu Treffern jedoch erheblich zielstrebiger verwerten.

Frankreich

Ein torloses Remis reichte Frankreich gegen die Schweiz zum Gruppensieg, die Eidgenossen landeten auf den zweiten Platz. Nach dem 2:1 über Rumänien zur Euro-Eröffnung und dem 2:0 gegen Albanien konnte die Grande Nation mit sieben Zählern ungeschlagen ins Achtelfinale einzuziehen. Für die Europameisterschaft im Nachbarland und die noch anstehenden Spiele, die mit dem Finale in Paris am Sonntag, 10. Juli, ihren Abschluss finden sollen, zweifellos eine Aufwertung. Bekanntlich leben alle Europa- und Weltturniere davon, wenn sich die Gastgeber möglichst lange im Wettkampf halten können.

Spanien

Auch der Titelverteidiger erreichte die nächste Runde, wo von den anfänglich 24 Teams noch 16 im Rennen sind. Ob sich der Sieger der Konkurrenzen in Österreich und der Schweiz (2008) sowie in Polen und der Ukraine (2012) nun in Frankreich als erste Nation zum dritten Mal in Folge den Pokal sichern kann, ist nach den bisherigen Auftritten der Männer aus dem südwesteuropäischen Königreich gegen Tschechien (1:0), der Türkei (3:0) und Kroatien (1:2) äußert fraglich. Nur sechs Punkte sind für Spanien keine große Ausbeute.

Italien

Da den Spaniern kein Gruppensieg gelang, kommt es am Montagabend um 18.00 Uhr in Paris zur Wiederholung des Endspiels von 2012, wo Italien in Kiew gegen Spanien mit 0:4 eine regelrechte Klatsche verpasst bekommen hat. Doch eine Revanche wird den Italienern nur gelingen, wenn sie sich gegenüber ihrer Niederlage gegen Irland (0:1) im letzten Gruppenspiel deutlich steigern. Bisher waren die Leistungen der Azzurris kaum als europameisterlich zu charakterisieren. Fußballerisch hat Italien bei der Euro 2016 noch nicht überzeugen und im Schonprogramm werden sie sich nur schwerlich durchsetzen können.

Russland

Absolut versagt hat Russland, das mit einer überalterten Mannschaft nach Schlappen gegen die Slowaken und Waliser und einem Remis mit den Engländern in seiner Gruppe das Schlusslicht war und glanzlos aus dem Turnier ausschied. So droht in zwei Jahren die WM im eigenen Land sportlich zur Blamage zu werden. Schon die EM 2012 und die WM 2014 waren enttäuschend, ebenso verlief ihre Qualifikation für die EM 2016 äußerst holprig.