Europameister Deutschland?

Blick auf die Euro 2016 von Hans Zaremba

Jetzt hat die 15. Austragung der Europameisterschaft mit einem Sieg von Gastgeber Frankreich gegen Rumänien (2:1) begonnen und in Deutschland schauen die Fußballfans gespannt auf den Sonntagabend nach Lille. In der lange durch die Schwerindustrie geprägten und in der Grenzregion zu Belgien gelegenen französischen Großstadt wird um 21.00 Uhr das Auftaktspiel der DFB-Equipe gegen die Ukraine angepfiffen. Anlass genug, einen Blick auf die Endrunde der UEFA-EURO-2016 vorzunehmen, die nun vier Wochen lang bis zum Finale in Paris – Sonntag, 10. Juli, 21.00 Uhr – die Gespräche am Arbeitsplatz, in den Biergärten, Kneipen und etlichen Wohnstuben bestimmen dürfte.

Vollendetes Aussehen für das Turnier im Vereinslokal der Lippstädter BVB-Freunde: Vor vier Jahren schminkt Rosie Keil ihren optimistischen Vereinskollegen Wolfgang Meyer gekonnt für die damaligen Eurospiele in Polen und in der Ukraine.

Aufblähung

Erstmals wird der alle vier Jahre und zwischen den Weltturnieren organisierte Wettkampf um die europäische Fußballkrone mit 24 Teilnehmern ausgetragen. Viele Beobachter der Szene charakterisieren die Vergrößerung um acht Teams gegenüber dem in Polen und in der Ukraine in 2012 durchgeführten Fußballvergleich als Aufblähung, die keinen fußballerischen Wert habe. Einer der prominentesten Kritiker ist Günter Netzer, der 1972 als Spielmacher zur siegreichen DFB-Elf in Belgien gehörte. Damals trafen sich nur vier Nationalmannschaften, um in der Finalrunde den Europameister zu küren. Zuvor wurde die Qualifikation in acht Gruppen abgewickelt, deren Sieger in Hin- und Rückspielen die letzten vier Teams für die Veranstaltung im benachbarten Königreich ermittelten. Der einstige Mittelfeldakteur von Borussia Mönchengladbach und spätere Fußballkommentator stellt in seiner Betrachtung folgerichtig fest: „Aus rein sportlichen Gesichtspunkten ist diese Aufstockung wertlos.“

Erwartungsvolle Blicke aus optimistischem Blickwinkel: Eine schöne Euro in Frankreich wünschen sich von links Wolfgang Meyer, Bernhard Scholl, Rosi Keil und Michael Keil von den Lippstädter BVB-Fans. Die Aufnahme ist 2012 anlässlich der damaligen Euro entstanden.

Titelanwärter

Wer nun Europameister wird, bewegt natürlich auch die Freunde des Fußballs rund um Lippstadt und in den Fanclubs der heimischen Region. So auch in der schwarzgelben Gemeinde der „Optimisten“. Speziell richtet sich deren Blick auf die eigene Nationalelf, die als amtierender Weltmeister zwangsläufig von mehreren der vermeintlichen Experten in und außerhalb der Medien als ein Anwärter auf den Titel gehandelt wird. Ob jedoch den von Joachim Löw nominierten 23 Kickern das Kunststück glückt, nach dem WM-Erfolg von 2014 auch die EM 2016 zu gewinnen, lässt sich nur schwer vorhersagen. Denn die jüngsten deutschen Testspiele in Augsburg (1:3 gegen die Slowakei) und in Gelsenkirchen (2:0 über Ungarn) hatten wenig Aussagekraft. Im Treffen mit den Slowaken, das in der zweiten Hälfte durch das starke Regenwetter litt, wirkte Deutschland verunsichert und musste trotz seiner frühen Führung eine Schlappe hinnehmen. Auch das Match gegen Ungarn brachte kaum neue Erkenntnisse, dafür waren die Magyaren als Gegner zu schwach.

Erwarten am Sonntagabend einen Sieg von Deutschland: Die Lippstädter BVB-Fans Andrea Meyer und Bernhard Scholl auf einem Bild aus dem Juni 2012 bei der damaligen Euromeisterschaft. Archiv-Fotos (3): Hans Zaremba

Rüffel

Auffällig war der Rüffel vom Vorstandsvorsitzenden von Borussia Dortmund, Hans-Joachim Watzke, an der Auswahl des vom Bundestrainer berufenen Kadars: ‚Dem deutschen Fußball muss es richtig gut gehen, wenn man vom Team, das 78 Punkte geholt hat, nur drei Spieler mitnimmt‘, sagte der BVB-Boss in Anspielung auf die starke Saisonbilanz des Vizemeisters. Unterdessen sind es nach der (verletzungsbedingten) Suspendierung von Marco Reus mit dem Neuling Julian Weigl und dem zum FC Bayern München wechselnden Abwehrspieler Mats Hummels nur noch zwei aktuelle Profis des BVB, die zum erlauchten DFB-Kreis gehören. Nun lässt sich immer trefflich darüber streiten, wer in solches Aufgebot berufen werden soll. Das war zu Zeiten von Sepp Herberger bei der Weltmeisterschaft 1954 (Achse mit fünf Männern aus Kaiserslautern) und Helmut Schön bei dem Europameisterschaft 1972 und dem Weltturnier 1974 (Blockbildung mit Spielern von Borussia Mönchengladbach und Bayern München) auch nicht anders. Am Ende hatten sich die Trainer richtig entschieden.