‚Der größte Moment in unserem Leben‘

Veröffentlicht am 

 von 

 in 

Von Boris Rupert (Text) und Hans Zaremba (Fotos)

Setzen sie noch einen drauf? Krönen sie zwei Meisterschaften und einen Pokalsieg mit der wertvollsten Trophäe im Vereinsfußball und prägen sie damit die erfolgreichste Ära der Klubgeschichte? Dort, wo der Dortmunder Torwart Hans Tilkowski das berühmteste Tor der Fußballgeschichte hinnehmen musste, findet am 25. Mai 2013 das Finale der UEFA Champions League statt. Mit unserer Borussia!

Blicken zuversichtlich auf das Finale der Champions League:Chefoptimist Bernhard Scholl, der am Endspieltag um 18.00 Uhr das optimistische Treffen im schwarzgelben Vereinslokal ‚Jathe`s Kegelbahnen‘ mit einem Grillabend eröffnen wird, und der Kartenobmann Matthias Radtke, der alle Spiele von Borussia Dortmund in der Champions League 2012/13 live in den europäischen Arenen erlebt hat und in London die Delegation der Lippstädter BVB-Freunde anführen wird.

Ein mystischer Ort

Wembley! Ein mystischer Ort. 30. Juli 1966, 101. Spielminute: Der Engländer Geoff Hurst knallt den Ball unter die Latte, der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst entscheidet auf Intervention des sowjetischen Linienrichters Tofik Bachramow auf Tor.

Bis heute lässt sich nicht zweifelsfrei belegen, ob der Ball nun mit vollem Umfang die Torlinie überschritten hat oder nicht – sicher ist nur, dass sich Bachramow damals irrte. Denn er wollte den Ball aus dem Tornetz zurückgesprungen gesehen haben, was dieser zweifelsfrei nicht tat.

BVB-Legende ‚Hänschen‘ Tilkowski hat längst seinen Frieden geschlossen mit dem vor rund 20 Jahren gestorbenen Linienrichter aus der damaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan. Er hat sich sogar neben jener Statue ablichten lassen, die Bachramow zu Ehren vor dem Nationalstadion Aserbaidschans errichtet wurde.

Eine phantastische Bilanz:Die hat Borussia Dortmund in der Champions League 2012/13 erzielt, wie dies der Lippstädter BVB-Fanclubvorsitzende Bernhard Scholl mit einem optimistischen Shirt vor dem Dortmunder Stadion demonstriert.

Beginn des BVB-Erfolges

Wie es der Zufall wollte, beginnt an dieser Stätte die aktuelle europäische Erfolgsstory von Borussia Dortmund: am 26. August 2010 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans. Dort, im Nationalstadion, dem ‚Tofiq-Bachramow-Stadion‘, gewinnt der BVB das Play-Off-Spiel zur UEFA Europa League gegen den FK Qarabagh Agdam mit 1:0 – und ist seitdem durchgängig im Europapokal vertreten.

‚Es ist so viel passiert in den vergangenen paar Jahren‘, erklärt Jürgen Klopp: ‚Jeder Spieler hat seine eigene Geschichte. Wer von uns hätte gedacht, dass er 2013 im Champions-League-Finale stehen würde? Es sind außergewöhnliche Momente, die wir jetzt erleben dürfen. Das wissen wir zu schätzen.‘

Lemberg, Sevilla, Paris, Piräus, London, Marseille, Manchester, Madrid, Amsterdam, Donetsk, Malaga und zuletzt wieder Madrid. Der BVB hat sich zurückgekämpft in die Beletage des europäischen Fußballs und bestreitet am kommenden Samstag sein fünftes Endspiel in einem kontinentalen Wettbewerb.

Und seitdem tobt an den Tresen der Republik ein Wettkampf: Wer hat die besseren Argumente für einen Sieg von Borussia Dortmund oder von Bayern München, dem Finalgegner, auf seiner Seite? Da sind die Statistiker, die vorrechnen, dass sich in der schwarzgelben Historie Sieg (1966 gegen Liverpool und 1997 gegen Turin) und Niederlage (1993 gegen Turin, 2002 gegen Rotterdam) mit mathematischer Konstanz abwechseln – und demnach 2013 wieder ein Sieg an der Reihe wäre. Sie rechnen vor, dass es seit 1994 keiner Mannschaft mehr gelungen ist, die im Vorjahr schon im Endspiel stand, den Titel zu gewinnen. Und dass in Borussias Historie auf zwei Bundesliga-Meisterschaften (1995, 1996) im Jahr darauf (1997) ‚immer‘ der Coup in der Königsklasse folgte.

Erinnerungen an einem großen BVB-Erfolg:Den eindrucksvollen Pokalsieg am 12. Mai 2012 von Borussia Dortmund gegen Bayern München (5:2) erlebten in Berlin auch die Lippstädter OPTIMISTEN Ronny Placzek, Heinz Hilgers und Thomas Hilgers. In London wird auch Thomas Hilgers dabei sein.

Erinnerungen werden wach

Und sie suchen Parallelen. 1997 zum Beispiel wurde der FC Bayern München Deutscher Meister, der VfB Stuttgart stand im Pokalfinale, Hertha BSC stieg in die Bundesliga auf, Manchester und Turin holten in den anderen großen Ligen den Titel. Champions-League-Sieger aber wurde … Borussia Dortmund.

Jürgen Klopp darf man mit solch kruden Ideen gar nicht kommen. Statistiken steht der Fußballlehrer sehr kritisch gegenüber – es sein denn, sie lassen sich zu Motivationszwecken einsetzen.

Es ist der letzte Tag im August 2012. Die Sonne brennt. Und Klopp hat einen Auftrag. Tags zuvor war seine Mannschaft in die apostrophierte ‚Todesgruppe‘ mit den amtierenden Meistern aus Spanien (Real Madrid), England (Manchester City) und Holland (Ajax Amsterdam) gelost worden. Ein aussichtsloses Unterfangen? Nicht für den Cheftrainer. Sein Auftrag lautet: Hat es jemals eine Mannschaft aus Lostopf vier kommend bis ins Halbfinale der UEFA Champions League geschafft?

Fündig wird man in der Saison 2003/2004. Die Association Sportive de Monaco Football Club, kurz und besser bekannt als AS Monaco, ist tatsächlich die einzige Mannschaft, der dies in diesem Jahrtausend gelungen ist. Und für Monaco war im Halbfinale noch nicht Schluss…

Im Mai 2012 präsentierte sich das Umfeld des Berliner Olympiastadions in schwarzgelben BVB-Farben.So dürfte es in 2013 auch am Samstag in Wembley aussehen

Wembley wird schwarzgelb

Borussia Dortmund setzte sogar noch einen drauf. Blieb in den ersten elf Spielen ohne Niederlage. ‚Mein Gott‘, meinte Jürgen Klopp, als er nach den nervenzerrenden 98 gespielten Minuten im Halbfinal-Rückspiel in Madrid in die Umkleidekabine zurückkehrte, wo nur noch seine Co-Trainer Zeljko Buvac und Piet Krawietz warteten, ‚wäre es cool gewesen, wenn wir ungeschlagen ins Finale gekommen wären…‘

London freut sich aber auch so diebisch auf den Favoritenschreck aus Dortmund. ‚Fußball kommt nach Hause‘, titelten englische Zeitungen – und eine der renommiertesten von ihnen, die Times, bemerkte: ‚Jetzt fragen wir uns, ob dieses kühne, aufregende Team Champion von Europa werden kann? Sie werden ein extrem beliebter Finalist sein – so frech wie sie spielen.‘

Wembley wird schwarzgelb. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass neben den 25.000 Dortmundern auch viele der 30.000 ’neutralen‘ Besucher auf Seiten des Außenseiters stehen. So wie 1989 in Berlin. Oder 2008 und zuletzt 2012.

Borussia will sich tragen lassen – von der Euphorie im Umfeld, vom Adrenalin, das in den Adern pulsiert. ‚Wembley‘, sagt Klopp, ‚wird einer der größten Momente in unserem Leben. Wir werden uns nicht zufrieden geben, Finalist zu sein. Jetzt wollen wir auch den Cup gewinnen.‘